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Polyphasischer Schlaf: Weniger schlafen, mehr schaffen?

Nur zwei Stunden pro Tag schlafen und trotzdem fit und ausgeschlafen sein. Klingt wie ein Wunder, doch polyphasischer Schlaf soll genau das möglich machen. Das veränderte Schlafmuster soll dir mehr Lebenszeit schenken und zeitgleich dein Energielevel oben halten. Doch bereichert mehrphasiger Schlaf wirklich dein Leben langfristig oder schadet er letztlich deiner Gesundheit?

Was ist polyphasischer Schlaf überhaupt?

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen dem monophasischen, biphasischen und polyphasischen Schlaf. Ein monophasisches Schlafmuster bezeichnet den typischen 8-Stunden-Schlaf – z.B.: abends um 22 Uhr ins Bett, 8 Stunden schlafen und 16 Stunden wach sein.

Biphasischer Schlaf fügt noch ein Nickerchen in der Mittagszeit hinzu oder eine ganze Schlafphase (ca. 90 Minuten). Hier schlafen wir dann zweimal am Tag (biphasisch).

Der polyphasische Schlaf hingegen beschreibt alle Schlafmuster, die aus mehr als zwei Schlafphasen pro Tag bestehen. Die eigentliche Kernschlafphase ist teils stark verkürzt und wird auf mehrere kürzere Schlafphasen oder Powernaps über den Tag verteilt. Zum polyphasischen Schlaf zählen die folgenden Schlafmuster: Everyman Schlaf, Dymaxion Schlaf und Uberman Schlaf.

Die polyphasischen Schlafmuster

Sobald dein Schlafverhalten also von dem monophasischen bzw. biphasischen Schlaf abweicht, sprechen wir von einem polyphasischen Schlaf. Was die einzelnen Schlafmuster ausmacht, erfährst du jetzt.

Everyman- oder Jedermann-Schlaf

Beim Everyman Schlaf verkürzt sich der nächtliche Schlaf auf 1,5 bis 4,5 Stunden und wird mit 2 bis 5 Powernaps von jeweils 20 Minuten über den Tag vervollständigt. Im Extremfall kannst du mit dem Everyman-Schlaf deine Schlafzeit auf rund 3 Stunden täglich verkürzen.

Grundsätzlich gilt: Je kürzer dein Hauptschlaf ist, desto mehr Nickerchen/Powernaps musst du am Tag diszipliniert halten.

Dymaxion Schlaf

Der Dymaxion Schlaf steht für dynamic maximum tension – also dynamische maximale Spannung. Bei diesem Schlafmuster ist der menschliche Körper an seinem Maximum angelangt. Du hältst 4 strikte Schlafphasen, die jeweils 30 Minuten dauern. Somit schläfst du nur 2 Stunden am Tag und bist 22 Stunden wach.

Uberman- oder Übermensch-Schlaf

Der Uberman-Schlaf ist die Königsdisziplin unter den polyphasischen Schlafmustern und setzt noch einmal einen drauf. Zwar kommst du hierbei, wie beim Dymaxion Schlaf, auf eine Schlafzeit von insgesamt 2 Stunden pro Tag, allerdings schläfst du alle 4 Stunden nur 20 Minuten.

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Und wie schlafe ich jetzt polyphasisch?

Um polyphasisch zu schlafen, musst deine Schlafzeiten streng einhalten. Darüber hinaus benötigt dein Körper eine längere Zeit, um sich auf den neuen Rhythmus einzustellen. Doch wir werden dir hier keine Anleitung geben, wie du am besten polyphasisch schläfst und lebst. Warum nicht?

Die Studienlage ist zu dünn, um eine klare Empfehlung auszusprechen. Zweitens äußern sich Wissenschaftler und Schlafexperten sehr kritisch zum Thema polyphasischer Schlaf. Und drittens haben bereits Studien mit einem künstlich veränderten Biorhythmus gezeigt, dass es langfristig zu körperlichen und seelischen Störungen führt. So können zum Beispiel Schichtarbeiter, die ihre natürliche innere Uhr ignorieren, unter Schlafstörungen, Gereiztheit, Leistungsschwankungen und sogar Depressionen leiden.

Polyphasischer Schlaf: Die häufigsten Mythen

Wir wollen aufklären und keine Mythen verbreiten. Deshalb haben wir für dich die Liste von Dr. Piotr Wozniak mit den häufigsten Mythen zusammengefasst, die sich im Internet zum Thema polyphasischer Schlaf finden lassen:

  • die meisten Tieren sind polyphasisch und deswegen müssen es auch die Menschen sein
  • die Übergangsphase ist hart, aber endet irgendwann
  • polyphasischer Schlaf spart dir Zeit
  • du bist aufmerksamer, wenn du polyphasisch schläfst
  • du bist produktiver, wenn du polyphasisch schläfst
  • du verlierst gewicht, wenn du ein polyphasisches Schlafmuster hast (das Gegenteil kann passieren)
  • polyphasischer Schlaf ist gesund
  • lange Nickerchen sind schlecht für dich

Polyphasischer Schlaf sollte kritisch gesehen werden. Wir vermuten, dass sich der Bedarf nach kürzeren Schlafphasen aus dem immer hektischeren Alltag entwickelt hat. Wir versuchen immer mehr Dinge in immer weniger Zeit zu erledigen. Da kommt der polyphasische Schlaf wie gerufen, doch er widerspricht unserem natürlichen Biorhythmus.

Bringt polyphasischer Schlaf wirklich was?

Das hängt davon ab, wen du fragst. Wenn du dir die unzähligen Blogs zum Thema durchliest, bekommst du das Gefühl, dass der polyphasische Schlaf, allem voran der Uberman Schlaf, die Lösung für ein besseres, produktiveres und erfüllteres Leben ist. Hier ein Zitat von perfect-lifestyle.com zum Selbstversuch:

In der Nacht gehörte alles mir. Man ist ungestört und die Welt ist wie ausgestorben. Nur man selbst ist wie eine nachtaktive Katze weiterhin “auf der Jagd”.

Doch diese Tests sind häufig nur kurzfristige Ausschnitte – niemand hat diesen Selbstversuch nachweislich langfristig betrieben. Wenn du nun Wissenschaftler fragst, dann fällt die Sicht auf die Dinge ganz anders aus:

Den natürlichen Biorhythmus überlisten zu wollen, sei sehr ambitioniert und könne nicht zum Erfolg führen, so Prof. Dr. med. Ingo Fietze, Leiter des interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Charité. Wenn überhaupt, so ergebe polyphasischer Schlaf, nur über einen kurzen Zeitraum Sinn, in Ausnahmesituation. Darüber hinaus sei er nicht empfehlenswert.

Der polyphasische Schlaf ist dabei auch trügerisch, da du dich zwar ausgeschlafen fühlen kannst, aber trotzdem ungesund schläfst. Laut Prof. Dr. med. Fietze wisse man mittlerweile, dass dauerhaft zu kurzer schlaf die Lebenserwartung negativ beeinträchtige.

Ist polyphasischer Schlaf überhaupt gesund?

Und wieder hängt die Antwort davon ab, wen du fragst. Menschen, die den Selbsttest machten, erzählen von neuer und schier unendlicher Lebensenergie, doch Schlafexperten und Wissenschaftler sehen es anders.

Unser Körper braucht längeren Schlaf, da sich das Immunsystem, die Knochen und Muskeln in der Nacht regenerieren. Allgemein sagen Wissenschaftler, dass die ersten 4 Stunden Nachtschlaf die wichtigsten sind, doch polyphasischer Schlaf blendet diese Tatsache aus.

Dr. Piotr Wozniak geht noch einen Schritt weiter und sagt, dass es unmöglich sei, polyphasisch zu schlafen und dabei die Kreativität, Aufmerksamkeit und Gesundheit langfristig oben zu halten. Laut ihm habe das polyphasische Schlafmuster nur einen positiven Effekt: Durch die ganzen Mythen im Internet, testen die Menschen den polyphasischen Schlaf und die geistige Folter, die dadurch ausgelöst wird. Auf diesem Weg lernen die Menschen durch Schmerz, was gesunden Schlaf wirklich ausmacht. Und das sei nicht der polyphasische Schlaf, so Dr. Piotr Wozniak.

Fazit

Polyphasischer Schlaf ist kein Wundermittel, um mehr Zeit und mehr Energie im Leben zu haben. Es existieren zwar viele Selbstexperimente mit verschiedenen Schlafmustern, aber langfristig scheint kein Mensch extreme Schlafmuster aushalten zu können.

Wissenschaftlich gesehen ist das Thema noch nicht genau erforscht. Wissenschaftler sind sich nur einig, dass ausreichender Schlaf notwendig ist, damit wir uns körperlich und psychisch regenerieren können. Mehrphasiger Schlaf stört den Regenerationsprozess, wodurch die Vermutung nahe liegt, dass er langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen kann.

Prof. Dr. med. Fitze geht sogar von einer verkürzten Lebenszeit aus. Frage dich selbst, wie viel es dir wert ist, pro Tag mehr Zeit zu haben, um am Ende dann doch weniger Lebenszeit zu haben.

Des Weiteren ist es schwierig in unserer heutigen Gesellschaft einen polyphasischen Schlaf zu praktizieren. Das Arbeitsleben schreibt uns einen fest getakteten Alltag vor, in dem wir ein Mittagsschläfchen, geschweige denn mehrere Nickerchen pro Tag, nur schwer unterbringen können.

Doch auch der monophasische Schlaf ist nicht unser ursprüngliches natürliches Schlafmuster. Bevor wir Menschen mit künstlichem Licht in Berührung kamen, schliefen wir biphasisch. Dr. Piotr Wozniak geht davon aus, dass ein natürlicher Schlaf nur biphasisch oder monophasisch erfolgen könne, alles andere widerspreche unserer Chronobiologie und somit unserer Natur.

Titelbild © Unsplash.com – @chiro

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